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Dobbelstein & Schwörer Rechtsanwälte

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Freitag, 28. Mai 2021

Arbeitsrecht Aachen: Besteht Anspruch auf Urlaubsgeld auch in einem bereits gekündigten Arbeitsverhältnis?

Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 22.7.2014, 9 AZR 981/12

Buch

Bundesarbeitsgericht setzt sich mit einer arbeitsvertraglichen Klausel auseinander, wonach Voraussetzung für die Auszahlung des Urlaubsgeldes ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis ist .

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über Urlaubsgeld.Die Klägerin war vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. September 2011 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.567,00 Euro beschäftigt. Nach § 8 Ziff. 1 des zwischen den Parteien  geschlossenen Arbeitsvertrags betrug der Urlaubsanspruch 30 Arbeitstage jährlich.
Zum Urlaubsgeld enthält § 6 des Arbeitsvertrags folgende Regelungen:

"Weiterhin erhält der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin pro genommenen Urlaubstag ein Urlaubsgeld von 2,4 % des monatlichen Bruttogeldes. Das Urlaubsgeld wird am Monatsende ausgezahlt. Voraussetzung für die Auszahlung des Urlaubsgeldes ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis".

Mit Schreiben vom 22. März 2011 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin zum 30. September 2011. In einem gerichtlichen Vergleich vom 26. Juli 2011 einigten sich die Parteien ua. darauf, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher fristgerechter arbeitgeberseitiger Kündigung zum 30. September 2011 endet. Die Klägerin wurde weiterhin unter Anrechnung auf ihre Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche unwiderruflich von der Arbeit freigestellt.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin nun die Zahlung des arbeitsvertraglichen Urlaubsgelds für 30 Urlaubstage.
Soweit ihr Arbeitsvertrag die formularmäßige Klausel enthalte, welches ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis für die Zahlung des Urlaubsgelds voraussetze, sei sie unwirksam.

Die Rechtslage:

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen dem Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB zugrunde.
Die §§ 305 ff. BGB finden seit dem 1. Januar 2003 auf das am 1. April 1999 vereinbarte Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Regelungen zur „Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen” in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 gelten auch für Arbeitsverträge.
Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Der Anspruchsausschluss für gekündigte Arbeitsverhältnisse ist aber nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klägerin wird hierdurch nicht unangemessen benachteiligt.
Es ist dem Arbeitgeber nicht schlechthin versagt, Sonderzahlungen mit Bindungsklauseln zu versehen, solange die Zahlungen nicht (auch) Gegenleistung für schon erbrachte Arbeit sind.
Das gilt sowohl für Klauseln, in denen sich der Arbeitnehmer verpflichtet, erfolgte Sonderzahlungen zurückzuerstatten, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, als auch für Regelungen, nach denen die Leistung der Sonderzahlung wie hier voraussetzt, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Allerdings dürfen derartige Klauseln den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Das kann der Fall sein, wenn dem Arbeitnehmer entgegen der in § 611 BGB zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers durch eine Bestandsklausel bereits verdiente Arbeitsvergütung entzogen würde. Ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers daran, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich zu verändern, kann nicht anerkannt werden. Der Arbeitgeber hat allerdings die Möglichkeit, durch die Vereinbarung von Sonderzahlungen, die der Honorierung von Betriebstreue dienen, dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, welchen Wert das Verbleiben im Arbeitsverhältnis für ihn darstellt. Der Arbeitnehmer seinerseits kann darüber entscheiden, ob er die Verdienstchancen bei einem Arbeitsplatzwechsel vorzieht oder die Treueprämie in Anspruch nehmen will. Werden dagegen die Zwecke Vergütung für erbrachte Leistung und Honorierung der Betriebstreue miteinander verbunden, kann der Arbeitnehmer von seinem Kündigungsrecht nur um den Preis des Verzichts auf die Gegenleistung für schon erbrachte Arbeit Gebrauch machen.
Dient eine Sonderzuwendung nach diesen Grundsätzen nicht der Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen, sondern verfolgt der Arbeitgeber damit sonstige Zwecke, kann eine Klausel, wonach der Anspruch den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag voraussetzt, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten. Eine Sonderzuwendung weicht nicht von der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB ab, wenn sie nicht im Gegenleistungsverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung steht. Ihre Zahlung kann deshalb, wie vorliegend, grundsätzlich an den Eintritt weiterer Bedingungen geknüpft werden.
Sonderzuwendungen können als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren. Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig - wie hier - dadurch deutlich, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt dann nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.
Im Ergebnis also ist der Anspruchsausschluss für gekündigte Arbeitsverhältnisse nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klägerin wird hierdurch nicht unangemessen benachteiligt, sodass die Klage der Arbeitnehmerin vorliegend abgewiesen wurde.

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